Lesereise Mallorca by Helge Sobik

Lesereise Mallorca by Helge Sobik

Autor:Helge Sobik [Sobik, Helge]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783711710185
Herausgeber: Picus Verlag GmbH
veröffentlicht: 2012-07-01T22:00:00+00:00


Plokk in Palmas »palacios«

Einmal Mallorquiner sein: herrschaftlich in der maurischen Altstadt wohnen

Diese Nacht war es laut im Innenhof mitten in der Altstadt von Palma. Eine Orange ist vom Baum gefallen, irgendwann weit nach Mitternacht. Nur der Mond hat zugesehen, und es machte so etwas wie plokk, als sie auf die fünf Jahrhunderte alten Terrakottafliesen schlug. Normalerweise ist es leiser, normalerweise ist die Nacht nicht so unruhig im Stadtpalast Dalt Murada an der Carrer Almudaina in Palma de Mallorca. Umgebungsgeräusche sind ausgeknipst, und der Weckruf ist üblicherweise erst zum Sonnenaufgang vorgesehen – ein melodisches Kammerkonzert im Innenhof. Niemand koordiniert, niemand dirigiert die Akteure. Sie sitzen auf den Balustraden der Balkone, hocken auf den hohen Ziegeldächern und in den Wipfeln des Orangenbaumes: eine Schar Finken und Amseln. Jeden Morgen singen sie ihre Ode an den neuen Tag. Danach schweigen sie und halten siesta, um neue Kraft für den nächsten Sonnenaufgang zu tanken.

Es ist, als ob die Gegenwart ausgeblendet wäre und im Innersten der mallorquinischen Hauptstadt nur zeitlose Geräusche zugelassen wären. Das Knarzen der zwei Meter hohen Fensterläden rund um den patio gehört dazu, wenn sie sich morgens öffnen und verschlafene Gesichter in den Hof blicken. Von außen schallt nur der Glockenschlag der Kathedrale Sa Seu aus dreihundert Meter Luftlinie Entfernung herüber – ein Klang, der Geborgenheit vermittelt.

Über ein Dutzend außergewöhnlicher kleiner Hotels gibt es inzwischen in der Altstadt von Palma – darunter ein umgebautes Kloster und etliche renovierte Stadtpaläste, meist nur wenige Gästezimmer groß, mit meterhohen Decken, schweren Flügeltüren, Gobelins an den Wänden, mit kleinen Balkonen und viel Atmosphäre. Das Dalt Murada ist eines davon.

In den Seitenstraßen, die manchmal zu schmal für ein Auto und immer zu eng für Reisebusse sind, ist Palma eine stille Stadt: keine Spur von der Hektik des sechsspurigen Passeig Maritim, kein Hupkonzert, kein Geschiebe der Parkplatzsucher, kein Gedränge von Passanten – und ein ganz anderes Hotelerlebnis als an den Stränden: eher, als ob man eine Ferienwohnung genommen hätte oder privat zu Besuch wäre. Ein bisschen, als ob man dazugehörte, einen Kurzurlaub lang Bürger Palmas wäre. Es fühlt sich an, als gäbe es kaum andere Touristen. Und niemals ahnt man, auf Europas beliebtester Ferieninsel zu sein.

Palma ist als Städtereiseziel bislang Minderheitenprogramm geblieben, als Shopping-Destination noch nicht im Blickpunkt, als Kulturziel zahllosen Konzerten und Museen zum Trotz recht unbeachtet. Eine der schönsten Metropolen Spaniens reduziert zum Tagesausflugsziel für Badeurlauber? Palma hat mehr verdient, gilt als eine der besterhaltenen mittelalterlichen Städte Europas und wartet dennoch auf ihre Entdeckung.

Gegründet wurde sie vor über zweitausendeinhundert Jahren von den Römern als Palmaria Palmensis. Medina Mayurca hieß sie in der Zeit der Maurenherrschaft von 902 bis 1229, an die die arabischen Bäder ebenso erinnern wie der Almudaina-Palast. Der gesamte Kern der Inselhauptstadt ist maurischen Ursprungs, in seiner heutigen Struktur über tausend Jahre alt, unübersichtlich, verwinkelt, eng – eine Medina mit hohen, oft nahezu fensterlosen Fassaden Richtung Straßenseite, mit wehrhaften Mauern zum Schutz vor Piratenüberfällen, vor einfallenden Eroberern.

Das Leben der Menschen im Stadtkern orientiert sich seit Jahrhunderten weg von der Gasse, hin zum Innenhof, zu den versteckten grünen Oasen zwischen all den Ziegelsteinen.



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